Samstag, 20. Juli 2013

PRISM, US-Geheimdienste und die deutschen Grundrechte

„Mit PRISM missachten die USA die Grundrechte der Deutschen, ergo sind sie böse und undemokratisch!“ Mit diesem Satz lässt sich der Kerngedanke kurz zusammenfassen, der die Medien und die Öffentlichkeit in diesem Lande seit den Veröffentlichungen von Edward Snowden mal wieder zu neuen Höchstformen der bundesdeutschen Empörungskultur auflaufen lässt.
Je mehr ich von dieser Berichterstattung und öffentlichen Empörung mitbekomme, desto fassungsloser und kopfschüttelnder stehe ich daneben und versuche zu begreifen, was da gerade eigentlich passiert.

Die Grundrechte der Deutschen sind in den USA egal


Der Punkt, an dem mein Verständnis schon aussetzt, ist die Verknüpfung von meinen Grundrechten mit den USA. Der Gedanke, dass ein US-Geheimdienst meine Grundrechte wahren oder schützen sollte, ist ungefähr so absurd wie der Gedanke, dass der IRS (das ist die US-Bundes-Steuerbehörde) meine Steuererklärung bearbeitet oder mir eine Steuerrückerstattung gewährt.

Ich bin ein Nicht-Amerikaner außerhalb von Amerika, der amerikanische Staat ist damit in keinster Weise für mich, mein Wohlergehen oder – womit wir beim Punkt wären – den Schutz meiner Grundrechte zuständig, denn die US-Verfassung gilt (grob gesagt) eben nur, wenn ich Amerikaner wäre oder mich in den USA aufhalten würde.
Dass die USA trotzdem keineswegs ein Unrechtsstaat sind, auch wenn das in dem deutschen Erregungs-Antiamerikanismus ja gerne mal proklamiert wird, zeigt ja auch der Umgang mit den eigenen Bürgern: Dass die NSA auch US-Bürger abhört, hat ja im Kongress ja bereits für Verstimmungen gesorgt.

Und genau hier liegt das Problem: Das US-System ist, viel stärker noch als das Deutsche, nach innen gerichtet. Was also außerhalb der US-Grenzen (so z.B. auch in Guantanamo) passiert, interessiert für die Anwendung der US-Verfassung nur sehr bedingt. Das mag für deutsche Bürger, die wohl seit dem 2. Weltkrieg ein etwas anderes, weniger inlandsbezogenes Verständnis von Staat und ein sehr umfassendes Verständnis von Grundrechten eingeimpft bekommen habe, etwas schwer verständlich sein, das ist aber völkerrechtlich und verfassungstheoretisch unangreifbar: Meine Grundrechte müssen nicht von den USA geschützt werden, denn ich habe selbst einen Staat, der dafür zu sorgen hat und meine Grundrechte (zumindest in der Theorie) schützt. Oder zumindest schützen sollte.

Dass also die USA beschließen, möglichst viel vom Rest der Welt abzuhören, um sich und ihre Bürger zu schützen, ist in meinen Augen völlig legitim und kaum angreifbar. Denn wenn der BND den Rest der Welt abhört, um mich zu schützen, finde ich das auch eher unproblematisch (sieht man von den Zweifeln ab, ob der BND sowas vernünftig auf die Reihe bringt oder einfach Steuergelder verbrennt).

Das eigentliche Problem


Wer das jetzt so verstanden hat, dass ich es in Ordnung finde, dass die USA meine Daten sammeln, liegt aber falsch: Es geht mir nicht darum, dass man sich beschwert, es geht mir um den Adressaten dieser Beschwerde. Denn wie ich oben schon erwähnt habe, habe ich ja eigentlich auch einen Staat, zu dem ich mehr oder weniger freiwillig gehöre. Und die Bundesrepublik Deutschland hat meine im Grundgesetz verbrieften Grundrechte zu schützen. Mein Staat hat mich nicht anlasslos abzuhören und zu überwachen, sondern er hat meine Rechte zu schützen. Auch und vor allem gegen die Übergriffigkeit fremder Staaten, die meine Rechte nicht zu interessieren braucht, weil ich bei ihnen nicht Bürger bin.

Hier geht es um die Grundfunktionen eines Staates. Wir reden hier nicht über Luxustätigkeiten eines Staats wie die Förderung von Kinderkrippen und auch nicht über allgemein akzeptierte Tätigkeiten für die Wohlfahrt der Bürger wie den Betrieb eines Sozialsystems. Hier geht es ans Fundament der staatlichen Aufgaben: Wenn mein Staat nicht mal in der Lage ist, mich zu schützen, wozu brauche (und finanziere) ich ihn denn dann eigentlich?

Denn darin, dass unsere Regierung scheinbar nicht mal interessiert ist, die Daten ihrer Bürger zu schützen – darin liegt für mich der eigentliche Punkt, an dem ich mich stoße. Und zwar ganz massiv. Und ich frage mich ernsthaft, warum die gegen die angeblichen US-Missetaten so aufgebrachte deutsche Bevölkerung noch nicht mit Fackeln und Mistgabeln nach Berlin gezogen ist, um unserer Regierung mal etwas Dampf zu machen.

Was machen wir hier eigentlich?


Was passiert stattdessen? Unser „trauriger Clown von einem Verfassungsminister“ Friedrich reist nach Washington und hat dort nichts Besseres zu tun, als PRISM zu loben, weil es angebliche Terroranschläge abgewendet hat (welche genau, ist natürlich geheim). Womit er mal wieder eindrucksvoll beweist, wie geeignet er für dieses Amt ist (nämlich gar nicht).
Und unsere Regierungschefin weiß derweilen (wie üblich) von nichts und macht auch nicht den Eindruck, als würde sie sich daran sonderlich stören. Oder an diesem Zustand etwas ändern wollen.

Und was machen die deutschen Wähler? Sie finden die halbherzigen Aufklärungsankündigungen, die ungefähr so überzeugend sind wie die Ankündigungen einer pubertierenden 13-Jährigen, später noch das Zimmer aufzuräumen, wohl schon irgendwie ganz in Ordnung. Und verhelfen dem Parteienbündnis, das uns mit (nicht nur, aber auch) diesen beiden Leuchten in der Regierung zwangsbeglückt hat, zu über 40% in den aktuellen Umfragen.

So wichtig scheint der Schutz unserer Grundrechte ja dann doch nicht zu sein. Zumindest nicht so sehr, dass man der eigenen Regierung mal Druck macht, damit sie was an diesem Zustand ändert. Denn unsere arme und ach so bemühte Regierung ist ja realpolitischen Zwängen unterworfen, und das könnte ja unangenehm werden, wenn man versucht, daran was zu ändern.
Und Grundrechtsschutz ist natürlich schon total wichtig, aber wenn es unangenehm wird, dann sollen doch lieber die USA was ändern und ihre Bürger weniger schützen wollen. Denn immerhin kann man sich über die ja aufregen.
Und sicher sein, dass sich nichts ändern wird.

Oh Gott, er bloggt!

„Oh Gott, er bloggt!“ - Ich kann mir einige Menschen bildlich vorstellen, die bei der Aussicht auf ein Blog von mir mit eben diesem Gedanken vor dem Bildschirm sitzen. Das mag schon sein, hilft aber nichts. (Als Lösungsvorschlag: Es muss ja niemand lesen, was ich schreibe.)

Ich hab ja schon einige Male mit dem Bloggen angefangen, was aber nie wirklich zu irgendwas geführt hat. Inzwischen ist aber meine Frustration über die „politischen“ Verhältnisse in diesem Land so gewachsen, dass ich meine Meinung irgendwo kund tun muss, um sie nicht immer anderen Menschen in irgendwelchen Diskussionen unterjubeln zu müssen, die sich eigentlich gar nicht über das Thema der Meinung drehen. Deswegen lautet die Lösung: Bloggen.

Ich beabsichtige, hier meine Meinung zu allem kund zu tun, was mir gerade in den Sinn kommt respektive auf die Nerven geht. Das ist erfahrungsgemäß mehr, als ich jemals in ein Blog gepresst bekäme, vorzugsweise dürften die Themen deswegen – hoffentlich – politischer oder juristischer Natur sein. Den meisten, die mich kennen, sollte bekannt sein, dass ich Jurist bin, weswegen da eine gewisse Affinität zum Thema da ist - und wenn man bei Jura ist, ist man an der Politik ja sehr nahe dran, zumindest in der Theorie. Schließlich müssen wir Juristen ja den Unsinn, den sich die Politik einfallen lässt, irgendwie wieder ausbaden, und sind dann im Zweifel auch noch schuld dran.

Was meine politische Einstellung angeht, so halten mich ja unglücklicherweise die meisten Menschen, die darüber etwas Genaueres wissen, für einen Liberalen. Das ist sehr bedauerlich und natürlich auch völlig falsch, ich zähle mich nämlich in den – in Deutschland leider viel zu kleinen und unbekannten – Kreis der Libertären. (Feel free to ask for details)
Wer also bei der Meinung Hautausschlag bekommt, dass der Staat in den meisten Fällen viel eher das Problem denn dessen Lösung ist, der sollte sich eventuell anderswo Lesestoff suchen. (Oder sich ein Mittel gegen Hautausschlag beschaffen.)

Natürlich habe auch ich (nicht immer) die ultimative Weisheit, aber wer diskutieren will, darf gerne auf die (selbstverständlich moderierte) Kommentarfunktion zurück greifen - oder mich einfach mal so ansprechen/anschreiben/whatever – für Diskussionen bin ich (fast) immer zu haben.

In diesem Sinne: Viel Spaß.