Montag, 9. September 2013

Mein Problem mit Olympischen Spielen in 2022 München

Das IOC hat am Samstag Tokio den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2020 erteilt. Man könnte auch sagen: Tokio ist damit das offizielle IOC-Wirtstier für die Sommerspiele 2020.
Mit einer gewissen Schadenfreude habe ich dabei die Kandidatenstädte, aus denen die ehrenwerten Herren des IOC auswählen konnten, gehört: Madrid (Euro- und Staatsschuldenkrise), Istanbul (Polizeibrutalität, Erdogan und Syrien liegt auch um die Ecke) und Tokio (Fukushima). Mal schauen, was aus der Entscheidung wird, aber so gesehen hätte ich mich bei dieser Auswahl wahrscheinlich auch für Tokio entschieden.
Auch für die Winterspiele 2022 würde ich mich für Tokio entscheiden. Oder für Lhasa (Tibet). Auch für Singapur. Eigentlich ist mir egal, welche Stadt es wird - so lange es nicht München ist.

Die Winterspiele 2022 - hoffentlich nicht in München?


Allerdings bereitet mir die nächste Wirtstierstatus-Vergabe, nämlich die für die Winterspiele 2022, größeres Bauchgrummeln. Denn bei dem Gedanken, München könnte die Olympischen Spiele 2022 ausrichten, wird mir fast schon schlecht. Und das Problem ist: Man plant ja schon wieder.
Es gibt ja kaum eine "politische" Position (ist das Politik? Wahrscheinlich...) - abgesehen vielleicht von meinem Positionswechsel in Richtung pro-Frauenquote - bei der ich meine Meinung so komplett umgedreht habe wie bei der Frage einer Bewerbung Münchens für die Olympischen Spiele: War ich noch ein Befürworter der (glücklicherweise gescheiterten) Bewerbung für das Jahr 2018,  bin ich nun strikt dagegen. Es zwar so sehr dagegen wie gegen Netzsperren. Oder die staatlich erhobene Kirchensteuer. Es geht also um eine fundamentale Frage.

Was hat sich nun genau so massiv geändert? Eine berechtigte Frage. Es liegt sicher nicht daran, dass ich die Olympischen Spiele für eine ablehnenswerte Veranstaltung halte. Ganz im Gegenteil, ich finde, die Olympischen Spiele sind – wie alle Internationalen Sportveranstaltungen – eine großartige und grundsätzlich begrüßenswerte Sache, von der ich glaube, dass man sehr viel Gutes mit erreichen kann. Wenn man denn will.
Und da liegt der Hase im Pfeffer, denn mein Problem mit den Olympischen Spielen sind nicht die Olympischen Spiele selbst - sondern es ist deren "Zuhälter", das Internationale Olympische Komitee. Meine Position zum IOC habe ich vor einigen Wochen (müsste während der Leichtathletik-WM in Moskau gewesen sein) mal in einem Tweet hinreichend deutlich gemacht:




Was ich gegen das IOC habe? Zumindest nichts wirksames. (Leider)


Das IOC ist wohl eine der einflussreichsten NGOs der Welt, wenn nicht sogar die einflussreichste NGO der Welt. Man bedenke: Rein rechtlich gesehen ist das IOC nichts anderes als ein Verein schweizer Rechts, der die Rechte an den Olympischen Symbolen und den Olympischen Spielen - also eine NGO. Und ich bin mir sicher, das IOC könnte sehr viel Gutes tun. Das Problem: Das tun sie nicht. Das IOC wirtschaftet ausschließlich in die eigene Tasche, und das ohne Rücksicht auf die politischen Umstände im Gastgeberland oder die finanziellen Gegebenheiten der jeweiligen Wirtsstadt:

Sport ist unpolitisch! Haha, von wegen.


Das IOC versucht immer unter der Behauptung, der "Sport darf nicht politisch instrumentalisiert werden", jegliche Politik raus zu halten. Ich finde es natürlich auch richtig, wenn man verhindern möchte, dass die Spiele so für eine Ideologie instrumentalisiert werden wie von Hitler 1936. Aber: Man kann etwas nicht als "unpolitisch" definieren und dann seine Macht verwenden, um jegliches politische Statement zu verbieten. Olympische Spiele sind schon aufgrund ihrer Bedeutung politisch. Und wenn man sie in Staaten mit eher zweifelhaftem Verhältnis zu Menschenrechten vergibt, wie China oder Russland, dann ist das ein politisches Statement - weil das Verbot jeglicher Äußerung dazu zwingt, lächelnd mitzuspielen, das System stützt.
Mal davon abgesehen halte ich es für ein Unding, dass eine Organisation ihre Macht verwendet, eines der fundamentalsten Grundrechte seiner Teilnehmer, nämlich deren Meinungsfreiheit, quasi komplett einzuschränken. Damit stellt sich das IOC auf eine Stufe mit Nordkorea, China, Russland oder eines der anderen sympathischen Regime, in denen man die freie Meinung nicht so sonderlich schätzt. Das ist im besten Falle ein Armutszeugnis. Im schlimmsten Falle ist es nicht mehr druckfähig.

Das IOC und seine Wirtsstädte.


Außerdem glaube ich dem IOC leider nicht mehr, dass es ihnen um die Olympische Idee geht - denn es wirkt eher so, als ginge es ums Geld. Ausschließlich. Das IOC greift den Großteil der Einnahmen ab, während die Kosten das jeweilige Land selbst tragen muss (daher meine Bezeichnung als "Wirtsstadt") - die Olympischen Spiele sind ein Verlustgeschäft, das ist ein offenes Geheimnis. Ein um so größeres Geheimnis sind dagegen die Verträge, die die Wirtsstädte mit dem IOC abschließen müssen. Und sie sind wohl aus guten Gründen geheim, ein rechtliches Gutachten, dass in München meines Wissens dazu mal erstellt wurde, besagt aber: Sie wären wohl rechts- und sittenwidrig. Wie alle juristischen Wertungen kann man darüber sicher streiten, aber das liest sich schon sehr eindeutig.
Eigentlich ist mir das aber auch völlig egal: Ich möchte weder, dass München einen Vertrag abschließt, der auch nur im Ruf steht, sittenwidrig zu sein, noch möchte ich, dass ein Vertrag mit einer Organisation geschlossen wird, die sich selbst solche Vorteile einräumt. Bei einem Blick in das Gutachten oder die Zusammenfassung wird einem ganz anders. Ich hätte gerne, dass die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München sich auch bei den Olympischen Spielen benehmen, als wären sie der Staat - und nicht die servilen Diener einer zwielichtigen Organisation aus dem Ausland.

München soll kein Wirtstier werden


Bis sich beim IOC also wieder grundlegend was ändert, möchte ich die Olympischen Spiele nicht in München haben. Oder irgendwo in Deutschland. Deswegen, inzwischen aus tiefster Überzeugung: Nolympia.

7 Kommentare:

  1. Die Zahlen zum Wirtstier bitte. In den Links finde ich keine.

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    1. Von was für Zahlen sprichst Du? Meine Schlussfolgerungen sind ganz Zahlenneutral aus dem juristischen Gutachten, dass ich verlinkt habe, gezogen - wenn Du dich darauf beziehst.

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  2. Also, erstmal bin ich erfreut, dass endlich wieder ein neuer Beitrag verfasst wurde! Insbesondere gefällt mir die "Wirtstier/Wirtsstadt"-Metapher.

    Im Zshg. mit einem Wirtstier unterscheidet man zwischen Symbiose und Parasitismus. Die Tendenzen gehen nicht nur wegen etwaiger Rechts-/Sittenwidrigkeit hin zum Parasitismus; vielmehr geben die ökologischen Fragen einer Olympiaaustragung den entscheidenden Ausschlag. In Zeiten der Klimaerwärmung erscheint mir ein Schneekanonen-Olympia bei vielleicht 7° Grad plus reine Perversion. Aber die Stadt München, das IOC und die Befürworter betrachten das wohl nur als Firlefanz.

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    1. Danke schön! Ich hoffe, in nächster Zeit mehr schreiben zu können. Ideen hätte ich noch das ein oder andere, und ich fürchte, nach der Wahl wird es ja genug Themen geben...

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  3. Ja das wäre doch was! Insgeheim wäre schon eine Stellungnahme zum Gustl nach meinem gusto gewesen - offenbar wurde das aber zu inflationär abgehandelt und ist nun schon wieder "out".

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  4. Firlefanz hat sich nun endlich eine Meinung gebildet: Er plädiert, entgegen dem hier gesagten, für Yeslympia. Gleichwohl widerspricht er den von ohgotterbloggt vorgetragenen Argumenten nicht. Reiner Pragmatismus ist für seine Entscheidung maßgebend: zweite Stammstrecke, Express-S-Bahn zum Flughafen, Ost-West-Tangenten-Ubahn usw.

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    1. Ja, gegen das Pragmatismus-Argument kann ich auch recht wenig sagen. Ich setze mit meiner Kritik an - zugegeben - sehr theoretischen Punkten an, die man ja nicht mal prinzipiell ablehnen muss, um seine Prioritäten anders zu gewichten und für Olympia zu sein. Ich bin trotzdem mal auf die Ergebnisse gespannt.

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